reine Stimmung

Die reine Stimmung basiert auf den natürlichen Obertönen.

Die reine Stimmung basiert auf den Intervallen der natürlichen Obertönen, der Naturton-Obertonreihe. Daher ist die reine Stimmung die einzige natürliche Stimmung. Alle anderen Stimmungen wie zum Beispiel die gleichstufige oder die pythagoreische Stimmung sind Abweichungen von der reinen Stimmung.

Unser Gehör orientiert sich immer an diesen reinen Intervallen. Ein Geiger, der intonieren übt, wird problemlos immer zu diesen Intervallen finden.

Die reine Stimmung entstand in Europa mit dem Aufkommen der Mehrstimmigkeit in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Unter Stimmung versteht man die Festlegung von Tonhöhen (Frequenzen) von Schallquellen, insbesondere von Musikinstrumenten. 

Die Abstände der Tonhöhen voneinander nennt man Intervalle. 
Tonsysteme in reiner Stimmung bestehen ausschließlich aus Intervallen, deren Frequenzverhältnisse die Quotienten kleiner ganzer Zahlen sind, z. B. 3/2 für eine Quinte. 
Die reine Stimmung basiert darauf, ein Instrument anhand einer Obertonreihe zu stimmen. Man unterteilt also die Obertonreihe, um jeweils 12 Halbtöne pro Oktave zu haben. Eine Quinte hat hierbei z. B. die 1,5-fache Frequenz und eine Terz die 1,25-fache Frequenz des Grundtons. 

Der Nebeneffekt dieser reinen Stimmung: da die Frequenzen der einzelnen Obertöne abhängig vom Grundton sind, besitzt der „gleiche“ Ton f in einem auf C gestimmten Instrument eine geringfügig andere Frequenz als in einem auf G gestimmten Instrument. 
Auf einem auf C in reiner Stimmung gestimmten Instrument kann so auch nur in C gespielt werden. 

Die reine Stimmung wird auch als diatonische Stimmung bezeichnet. 

Die Frequenzbezeichnungen, also C, D, E usw. sind historisch entstanden und haben keinen absoluten Informationswert. Man könnte genauso gut die Tonleiter mit einer Anfangsfrequenz von 8 Hz A oder xy nennen. 

Eine unmissverständliche, absolute Bezeichnung für Tonarten ist die Bezugsfrequenz.

B ist die deutsche Bezeichnung für das englische Bb, H ist die deutsche Bezeichnung für das englische B.

Die reine Stimmung in der Praxis

Die reine Stimmung bringt für viele Musiker Probleme mit sich. Saiteninstrumente ohne Bünde wie Geigen sind für die reine Stimmung von Natur aus geeignet. Vokalisten singen problemlos in der reinen Stimmung, aber ein Klavier kann das in der Regel nicht diese Stimmung nutzen.
Ein Klavier ist stets verstimmt, damit man in den 12 Durtonarten spielen kann. Das heißt aber nicht, dass man ein Klavier nicht in der einen Stimmung stimmen kann. Dann kann man in einer Tonart spielen, was ja aber nicht praktikabel.

Digitale Instrumente haben die Einschränkungen nicht. Hier ist es möglich die reine Stimmung in jeder Hinsicht perfekt zu nutzen.

Digitale Instrumente für die reine Stimmung

Wichtig ist die Unterscheidung von digitalen Instrumenten nach Art der Klangerzeugung. Ich bevorzuge Instrumente mit physikalischer Modellierung und bestimmte Synthesizer (wie oben erwähnt).

Frequenzverhältnisse der reinen Stimmung

IntervallVerhältnisBezeichnungen
Prime1/1Prime
übermäßige Prime25/24
135/128
kleiner chromatischer Halbton
großer chromatischer Halbton
kleine Sekunde16/15diatonischer Halbton
große Sekunde10/9
9/8
kleiner Ganzton
großer Ganzton
kleine Terz6/5reine kleine Terz
große Terz5/4reine große Terz
Quarte4/3reine Quarte
übermäßige Quarte45/32
7/5
Tritonus
verminderte Quinte64/45(kleinere) verminderte Quinte
Quinte3/2reine Quinte
kleine Sexte8/5reine kleine Sexte
große Sexte5/3reine große Sexte
kleine Septime16/9
9/5
7/4
kleinere kleine Septime
größere kleine Septime
Naturseptime
große Septime15/8diatonisch rein
Oktave2/1reine Oktave

Bei reiner Intonation erhält man betonte Bässe (wegen der Differenztöne) und kristallklaren Klang (wegen gemeinsamer Obertöne).

Die gleichstufige Stimmung wirkt wie ein Tremelo-Effekt.

Hier wird gezeigt, dass die gleichstufige Stimmung nur eine Verstimmung der reinen Stimmung ist.

Historische Ansichten der reinen Stimmung

Arnold Schönberg schreibt zur reinen Stimmung in seiner Harmonielehre ( III. Vermehrte und verbesserte Auflage, UNIVERSAL-EDITION 1922)

Die Obertonreihe . . . enthält noch viele Probleme, die eine Auseinandersetzung nötig machen werden. Und wenn wir diesen Problemen augenblicklich noch entrinnen, so verdanken wir das fast ausschließlich einem Kompromiss zwischen den natürlichen Intervallen und unserer Unfähigkeit sie zu verwenden. Jenem Kompromiss, das sich temperiertes System nennt, das einen auf eine unbestimmte Frist geschlossenen Waffenstillstand darstellt. Diese Reduktion der natürlichen Verhältnisse auf handliche wird aber die Entwicklung auf die Dauer nicht aufhalten können; und das Ohr wird sich mit den Problemen befassen müssen, weil es will.

Dann wird unsere Skala ebenso aufgehen in eine höhere Ordnung, wie die Kirchentonarten in der Dur- und Molltonart aufgegangen sind. Ob dann Viertel-, Achtel-, Drittel- oder (wie Busoni meint) Sechsteltöne kommen, oder ob man direkt zu einer 53tönigen Skala übergehen wird, . . . lässt sich nicht voraussagen. Vielleicht wird diese neue Teilung der Oktave sogar untemperiert sein und mit unserer Skala nur noch wenig gemein haben.


Eine sehr umfassende Darstellung zur Geschichte der Stimmungen ist hier zu finden:
https://www.praeludio.info/stimmungen.html

„Reine Stimmungen haben ihren Preis. Entweder man kann sie nur eingeschränkt auf bestimmte Tonarten sowie einen Teil der möglichen Intervalle nutzen. Oder man gehört zu einer exklusive Gruppe von Musikern, die nämlich die Möglichkeit haben, unter dem Spielen die Tonhöhen so anzupassen, dass man jeweils reine Intervalle und Akkorde erzeugt. Was aber sind reine Intervalle? Reine Intervalle zeichnen sich dadurch aus, dass sie frei von Schwebungen sind. Bis hierher war es ziemlich sachlich. Doch nun geht es los mit den Fragen:

  • Sind Schwebungen demnach so etwas wie Störungen?
  • Sind unreine Intervalle schlechte Intervalle?
  • Warum sind eigentlich reine Intervalle gute Intervalle?
  • Was sind eigentlich Schwebungen genau?

Immer wenn es um Werte und Bewertungen geht wird es leidenschaftlich und emotional. Doch die Leidenschaft und das Gefühlvolle wollen wir uns für das Musizieren aufbewahren. Gehen wir also weiter sachlich vor………“

Pentatonik

Die Pythagoreer waren aber nicht die ersten, deren Musiksystem auf reinen Quinten beruhte. Die Chinesen verfügten schon mehr als 2.000 Jahre früher über ein Musiksystem, das sich auf rein gestimmte Quinten stützte. Der Überlieferung nach wurde es von Konfuzius entwickelt, wobei er Flöten aus Bambusrohren verwendete. Diese System umfasste 5 Töne je Oktave. Man bezeichnet solch ein System als „pentatonisch“

Was heißt “Reine Stimmung”?
Peter Neubäcker

Sehr ausführlich und verständlich stellt sich Peter Neubäcker dem Thema der reinen Stimmung am 12.06.1993 in einem Vortrag (Link zur PDF-Datei) im Rahmen der Veranstaltungen des “Arbeitskreis Harmonik” am Freien Musikzentrum München.

Excel Tabelle reine Stimmung

Ganz einfach die Frequenzwerte der Intervalle in der reinen Stimmung berechnen:
Nur die Bezugsfrequenz oder die gewünschte Oktave eingeben……


Scala Tuning File

Der Exel Referenztabelle liegen folgende Intervallverhältnisse zugrunde:

! ji_12.scl
!
Basic JI with 7-limit tritone
12
!
16/15
9/8
6/5
5/4
4/3
7/5
3/2
8/5
5/3
9/5
15/8
2/1


Was sind Scala Files?

C=128 Hertz A=432 Hertz